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. . . Gustav Oelsner. 1879 - 1956

Portrait Gustav Oelsner

Geboren am 23.2.1879 in Posen

1896 - 1900 Studium an der TH Berlin-Charlottenburg und TH München
1907 - 11 Stadtbauinspektor in Breslau
1911 - 22 Stadtbaurat in Kattowitz

1924 - 33 Bausenator in Altona
1939 - 49 Exil in der Türkei
1949 - 52 Referent für Aufbauplanung in Hamburg

Gestorben am 26.4.1956 in Hamburg

 

 


Gustav Oelsner wird 1879 als Sohn einer deutsch-jüdischen Familie im preußischen Posen geboren, er konvertiert aber noch in seinen Jugendjahren zum evangelischen Christentum. Nach seinem Abitur beginnt er an der Charlottenburger Technischen Hochschule ein Architekturstudium, das mit der Vermittlung historischer Stile noch ganz dem das 19. Jahrhundert prägenden Historismus verpflichtet ist. Durch seinen Bruder, der Medizin studiert, und den Besuch einiger Vorlesungen über Sozialhygiene an der Humboldt-Universität kommt Oelsner aber früh mit medizinisch-hygienischen Reformbestrebungen in Kontakt, die sich speziell um die Bekämpfung der Tuberkulose und der Cholera bemühen, die vor allem in den eng bebauten Mietshausvierteln der kaiserzeitlichen Großstädte grassieren. Nach einem Gastsemester an der TH München im Sommer 1899 schließt Oelsner im Frühjahr 1900 sein Studium ab und unternimmt eine Studienreise durch Italien. Im Anschluß daran praktiziert er in mehreren Architekturbüros, darunter bei namhaften Architekten wie Paul Wallot oder Max Hasak, für den er als Bauleiter beim Bau des Kaiser-Friedrich-Museums tätig ist.

Nach einer dreijährigen Tätigkeit besteht Oelsner 1904 die zweite Hauptprüfung zum Regierungsbaumeister. Er wird als Bauleiter der Technischen Hochschule nach Breslau beordert, Anfang 1907 wechselt er als Stadtbauinspektor in den Gemeindedienst der Stadt. In Breslau, einem der Zentren der modernen Bewegung jener Jahre, freundet er sich mit Hans Poelzig und Max Berg an. Auch die ersten eigenen Bauten Oelsners verweisen mit sachlichen Grundformen, einer verhalten klassizistischen Gestaltung und dem Verzicht auf überflüssiges Dekor auf die Reformtendenzen in der Architektur, die 1907 in der Gründung des Deutschen Werkbundes kulminieren. Im Alter von erst 32 Jahren wird Oelsner 1911 als Stadtbaurat nach Kattowitz berufen, einer oberschlesischen Industriestadt im deutsch-polnischen Grenzgebiet, wo er neben dem Entwurf städtischer Bauten auch mit kommunalpolitischen Aufgaben betraut ist. Wegen des Anschlusses Oberschlesiens an Polen nach dem 1. Weltkrieg scheidet Oelsner am Ende seiner Amtsperiode 1922 aber wieder aus dem Dienst aus. Vom preußischen Volkswohlfahrtsministerium wird er Anfang 1923 mit der Erstellung eines Generalsiedlungsplans für das Unterelbegebiet des Hamburg-Altonaer Raums beauftragt.

Der Generalsiedlungsplan, den Oelsner mit dem früheren Stadtbaurat Joseph Brix erarbeitet, sieht die Herabsetzung der innerstädtischen Besiedlungsdichte und die Einbettung neuer Wohngebiete in Grüngürtel vor. Durch den Generalsiedlungsplan qualifiziert, wird Oelsner Anfang 1924 zum Bausenator von Altona gewählt und stärkt zusammen mit Oberbürgermeister Max Brauer die kommunale Eigenständigkeit Altonas gegenüber der Nachbarstadt Hamburg. In raumplanerischer Kooperation mit dem Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher entstehen durch das von Oelsner geleitete Hochbauamt zahlreiche Wohnsiedlungen und kommunale Bauten, die mit dem Streben nach Licht, Luft und Sonne Reformideen des Neuen Bauens verpflichtet sind und damit gleichsam mustergültig wirken. So ensteht mit der Wohnsiedlung Bunsenstraße, zeitgleich mit der Wohnsiedlung Georgsgarten in Celle von Otto Haesler, die früheste Zeilenwohnsiedlung Deutschlands. Unter Oelsner entwickelt sich Altona in der Weimarer Republik mit Architekten wie Karl Schneider, Friedrich Ostermeyer oder Bensel & Kamps zu einem Zentrum der Modene, das auch mit dem programmatischen Namen "Neues Altona" große Parallelen zu Frankfurt und Magdeburg unter den dortigen Stadtbauräten Ernst May und Johannes Göderitz besitzt.

Neben dem Entwurf kommunaler Bauten, die mit Flachdächern, sichtbarem Betonskelettbau oder funktionalistisch minimierten Wohnungsgrundrissen der avantgardistischen Moderne zuzurechnen sind, betreibt Oelsner mit dem Ankauf privater Parkgrundstücke in den Elbvororten und der Planung eines öffentlichen Elbwanderweges eine gezielte Grünpolitik, die den politischen Anspruch der städtebaulichen Modernisierung Altonas einlöst. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wird Oelsner Anfang 1933 von den neuen Machthabern in den Ruhestand versetzt und vor dem Disziplinargerichtshof in Schleswig des Amtsmißbrauchs und der Verschwendung von Baugeldern angeklagt. Der Versuch, dieses Verfahren in ein politisches Tribunal zu verwandeln mißlingt, da Oelsner sämtliche Anklagepunkte widerlegen kann und freigesprochen wird. Seinen erzwungenen Ruhestand nutzt Oelsner zu Reisen und erkundet 1937 die Möglichkeit der Emigration in die USA. Schließlich leitet sein Freund Fritz Schumacher, ebenfalls von den Nationalsozialisten aus seinem Amt entfernt, eine Anfrage des in die Türkei emigrierten Robert Vorhoelzer aus Istanbul, der einen städtebaulichen Berater für die türkische Regierung sucht, an Oelsner weiter. Kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs gelingt Oelsner die Emigration in die Türkei, rechtzeitig, um einer drohenden Verfolgung aufgrund seiner jüdischen Abstammung zu entgehen.

In Ankara ist Oelsner als städtebaulicher Berater der türkischen Regierung beim Aufbau des jungen türkischen Staates tätig. Dabei ist er vorrangig mit der Stellungnahme zum Ausbau von Dörfern und Städten beschäftigt, insbesondere der Eingliederung von Schulen, Rathäusern und Gerichten als baulichen Repräsentanten des neuen Staates. Ende 1940 erhält er außerdem eine Professur für Städtebau an der TU Istanbul. Mit seiner einfühlsamen Art, regionale Traditionen aufzunehmen statt einer vordergründigen Europäisierung und Technisierung der Türkei Vorschub zu leisten, findet Oelsner große Anerkennung in der Türkei, die sich in einer 1955 verliehenen Ehrendoktorwürde der TU Istanbul äußert. Nach Ende des 2. Weltkriegs nimmt der aus dem Exil zurückgekehrte Max Brauer, nunmehr Hamburger Oberbürgermeister, wieder Kontakt mit Oelsner auf und bewegt ihn zu einer Rückkehr nach Hamburg, wo Oelsner ab Februar 1949 als Referent für Aufbauplanung tätig ist. In dieser Funktion nimmt er Einfluß auf den 1950 verabschiedeten Aufbauplan, der mit der Trassenfestlegung einer innerstädtischen Ost-West-Straße und der Herabsetzung der Wohndichte auf 500 Einwohner je Hektar die Planungen von Konstanty Gutschow aus den Kriegsjahren in modifizierter Form fortschreibt. Daneben setzt sich Oelsner für die Beibehaltung der Binnenalster-verordnung mit der Vereinheitlichung der Dachzonen entlang der Binnenalster sowie der Schaffung eines öffentlichen Parkgeländes auf dem Alstervorland zur Internationalen Gartenbauausstellung 1953 ein, sein direkter Einfluß auf den Wiederaufbau bleibt jedoch gering. Nach Amtsantritt von Werner Hebebrand als neuer Oberbaudirektor geht Oelsner 1952 in den Ruhestand, er verstirbt vier Jahre später.

Mit der Rolle des Erben von Fritz Schumacher steht Oelsner in Hamburg für das Anknüpfen an Entwicklungen der Weimarer Republik, die er in personeller wie ideeller Kontinuität repräsentiert. Gleichwohl ist er aber mehr als ein Nachfolger Schumachers, steht Oelsner doch als konsequenter Vertreter moderner Ideale neben dem architektonischen auch für den politisch-moralischen Aufbruch der ersten deutschen Republik.


August 2003

Literatur:

Olaf Bartels: Gustav Oelsner in der Türkei 1939 - 1949.
In: Architektur in Hamburg Jahrbuch 1990, S. 142-147

Olaf Bartels: Altonaer Architekten - eine Stadtbaugeschichte in Biographien. Hamburg, 1997

Olaf Bartels: Variationen einer modernen Baugesinnung: Gustav Oelsner.
In: Der Architekt 6/2000, S. 27-30

Burcu Dogramaci: Gustav Oelsner (1879-1956): Ein Stadtplaner und Architekt der Moderne. Hamburg 2008

Paul Theodor Hoffmann: Neues Altona 1919 1929. Zehn Jahre Aufbau einer deutschen Großstadt, 2. Band, S. 578-581. Jena 1929

Erich Lüth: Gustav Oelsner. Porträt eines Baumeisters. Hamburg 1960

Peter Michelis: Der Architekt Gustav Oelsner. Licht, Luft und Farbe für Altona an der Elbe. München 2008

Christoph Timm: Gustav Oelsner und das neue Altona. Kommunale Architektur und Stadtplanung in der Weimarer Republik. Hamburg 1984

Volksschule Steinstraße. Breslau 1908-09
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Plessische Bergwerksdirektion. Kattowitz 1913-14
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Gartenstadt Steenkamp. Altona 1925-26
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Wohnsiedlung Bunsenstraße. Altona 1926-27
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Arbeitsamt. Altona 1926-27
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Wohnhaus Bahrenfelder Steindamm. Altona 1927-28
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Pestalozzischule. Altona 1927-28
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Wohnblock Lunapark. Altona 1928-29
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Haus der Jugend. Altona 1928-30
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Wohnsiedlung Luruper Chaussee. Altona 1929-30
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