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. . . Bernhard Hermkes. 1903 - 1995

Portrait Bernhard Hermkes

Geboren am 30.3.1903 in Simmern

1921 - 26 Studium an der TH München, TH Berlin und TH Stuttgart
1926 - 27 Mitarbeiter im Stadtplanungsamt Frankfurt bei Ernst May
1927 Gründung des eigenen Architekturbüros in Frankfurt

1936 - 45 Mitarbeiter von Wilhelm Wichtendahl in Regensburg
1946 - 47 Mitglied im Arbeitsausschuß Stadtplanung in Hamburg
1955 - 71 Professor an der TU Berlin

Gestorben am 17.4.1995 in Hamburg

 

 


Bernhard Hermkes wird als Sohn eines Katasteramtsbeamten in Simmern im Hunsrück geboren und wächst nach dem Umzug der Familie in Remscheid auf. Er beginnt im Anschluß an die Schulzeit ein Architekturstudium an der TH München, die vor allem durch Theodor Fischer und German Bestelmeyer einen guten Ruf besitzt. Im Verlauf des Studiums wechselt er zunächst an die TH Berlin-Charlottenburg, wo ab 1923 Hans Poelzig lehrt. Nach einem Praktikum im Architekturbüro Bensel & Kamps in Hamburg zieht es Hermkes aber wieder in den süddeutschen Raum, und so schließt er sein Studium an der TH Stuttgart ab, wo er bei Paul Bonatz 1926 seine Diplomarbeit ablegt. Mit einer Orientierung an der betont modernen Architektur des Neuen Bauens befindet sich Hermkes jedoch in einer gewissen Opposition gegenüber der handwerklich-traditionalistisch geprägten Stuttgarter Schule, so daß er eine Anstellung im Frankfurter Stadtplanungsamt sucht, wo seit 1925 Ernst May für die Stadtplanung und den Bau moderner Wohnsiedlungen verantwortlich ist.

Innerhalb des Stadtplanungsamtes ist Hermkes bei Adolf Meyer beschäftigt, der die Bauberatungsstelle sowie die Abteilung für Industriebauten leitet. Unter Meyer entstehen mit der Kokerei im Kraftwerk Ost und dem Prüfamt der Elektrizitätswerke Industriebauten, die vor allem durch ihre prägnanten Betonkonstruktionen große Anerkennung erfahren. Mit dem Auftrag für ein Wohnheim für berufstätige Frauen macht sich Hermkes schon 1927 selbstständig, einer für den gesellschaftlichen Umbruch in der Weimarer Republik geradezu prototypischen Bauaufgabe. Der soziale Anspruch dieser neuartigen Wohnform für alleinstehende Frauen wird von Hermkes mit funktionalistisch minimierten Wohnungsgrundrissen und modernen Einbaumöbeln eingelöst und folgt mit einer optimierten Durchlüftung und Belichtung dem Ideal vom "befreiten Wohnen". Auch mit der Anwendung der durch Paul Frank oder Anton Brenner propagierten Laubengangerschließung profiliert sich Hermkes als Exponent des Neuen Bauens. Bereits im Alter von 26 Jahren wird er 1929 als Fachlehrer an die Werkkunstschule Offenbach berufen, wo er drei Jahre lang tätig ist.

Mit Aufträgen für Wohnungsteilungen und der Teilnahme an Wettbewerben bemüht sich Hermkes in den Jahren der Weltwirtschaftskrise sein Auskommen zu finden. Um weiterhin von gestalterischen Einschränkungen befreit arbeiten zu können sucht Hermkes die Tätigkeit im durch die nationalsozialistischen Aufrüstungsbestrebungen geförderten Industriebau und wird 1935 im Büro von Herbert Rimpl angestellt, wo er am Bau der Heinkel-Werke in Oranienburg mitarbeitet. Aus politischen Gründen muß er dort schon ein Jahr später wieder ausscheiden, auf Vermittlung von Rimpl findet Hermkes aber Beschäftigung bei dessen Studienfreund Wilhelm Wichtendahl. Dort ist er am Bau der Messerschmitt-Werke in Regensburg beteiligt, bevor er für Wichtendahl als Bauleiter des MAN-Motorenwerks nach Hamburg geht. Die von Hermkes verantworteten Hallenbauten zeichnen sich durch eine filigrane Konstruktion bar jeder Monumentalität aus und deuten damit auf das Vorbild der Heinkel-Werke von Herbert Rimpl. Hermkes kann so seine architektonischen Ideale im Dritten Reich bewahren, ein Phänomen, das nach dem 2. Weltkrieg durch Rudolf Lodders als "Zuflucht im Industriebau" bezeichnet wird. Mit dem Bau und dem durch Kriegszerstörungen bedingten ständigen Wiederaufbau des MAN-Motorenwerks ist Hermkes bis 1944 beschäftigt, bis er zum Kriegsdienst eingezogen und bei der Berechnung von Schußtafeln für Kanonen eingesetzt wird.

Aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft geht Hermkes zurück nach Hamburg, wo er wieder ein eigenes Architekturbüro eröffnet und im Auftrag der Baubehörde mit dem Wiederaufbau von Bäckereien beginnt. Nicht zuletzt durch das mit seinen Industriebauten erworbene Renommee als Vertreter moderner Architektur kann er sich dort rasch etablieren. Als politisch unbelastet eingestuft, engagiert er sich bei der Neugründung des BDA Hamburg und im Stadtplanungsausschuß, wobei es zu Konflikten mit politisch diskreditierten Architekten wie Erich Elingius und Gerhard Langmaack kommt und sich die modern gesinnten Architekten um Hermkes durchsetzen. So geht der Auftrag der englischen Besatzungsmacht für das Wohnhausprojekt "Hamburg Project" an eine vom BDA gebildete Gruppe politisch integerer Architekten wie Rudolf Lodders, Ferdinand Streb oder Fritz Trautwein, als deren Sprecher Hermkes fungiert. Die realisierte Hochhauslösung, die als Grindel-Hochhäuser bekannt wird, knüpft bewußt an modernen Idealen aus den Jahren der Weimarer Republik und stellt die erste, programmatische Manifestation der Nachkriegsmoderne in Hamburg dar. Mit seinen Nachkriegsbauten setzt Hermkes wichtige Impulse für den Wiederaufbau in Hamburg, speziell mit der Orientierung an skandinavischen Vorbildern, deren deutlichstes Zeichen der hellgelbe Backstein im Kontrast zum dunkelroten Klinker der Zwanziger Jahre ist.

Das Ideal der aufgelockerten und gegliederten Stadt, prägend für den Städtebau der Wiederaufbaujahre, bildet auch für Hermkes' Bauten eine wesentliche Grundlage, insbesondere bei seinen Wohnsiedlungsprojekten. Ein herausragendes Beispiel für dieses Ideal stellt der Ernst-Reuter-Platz in West-Berlin dar, dessen Planung auf einem siegreichen Wettbewerbsentwurf von Hermkes basiert und der ebenso wie das zeitgleich realisierte Berliner Hansa-Viertel einen politischen wie städtebaulichen Gegenentwurf zu der Stalin-Allee in Ost-Berlin bildet. Mit dem Osram-Haus und der Architektur-Fakultät kann Hermkes selber zwei Bauten am Ernst-Reuter-Platz realisieren, letzteres in seiner Funktion als Professor für Baukonstruktion und Industriebau an der Berliner Technischen Universität, an der er seit 1955 lehrt. Besondere Bedeutung kommt für Hermkes der konstruktiven Durchformung der Baukörper zu, die er als "geformte Konstruktion" bezeichnet und auch in seiner Architekturlehre zu vermitteln sucht. Eine anschauliche Umsetzung erfährt dieses Prinzip vor allem in seinen Industriebauten, in denen Hermkes den Beton als bevorzugtes Baumaterial verwendet. Die freie plastische Formbarkeit des Betons wird von Hermkes in zahlreichen Schalen- oder Falttragwerken als primäres Gestaltungselement verwendet, etwa bei der Großmarkthalle, dem Auditorium Maximum oder der Kennedy-Brücke in Hamburg, denen Ingenieursbauten von Eero Saarinen oder Pier Luigi Nervi als Vorbilder dienen.

Bernhard Hermkes stirbt im Alter von 92 Jahren in Hamburg. Er steht mit der Vereinigung von Ingenieurswesen und Gestaltung in der Tradition der modernen Architektur seit ihren Anfängen im Industriebau des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts. Mit der Bewahrung dieser Ideale auch im Industriebau des Dritten Reichs ist Hermkes gleichsam ein typischer Vertreter seiner Architektengeneration, auf schmalem Grat zwischen aufrechter architektonischer Haltung und politischer Legendenbildung.


Novermber 2003

Literatur:

Olaf Bartels, Ulrich Höhns: Interview mit Professor Bernhard Hermkes.
In: Deutsches Architekten-Blatt Heft 8/1985, S. HS 112-115

Brandenburgische Technische Universität Cottbus: Architekt Bernhard Hermkes. "Facetten eines Lebens" 1903-1995. Cottbus 2003

Hanns Theodor Flemming: Der Architekt Bernhard Hermkes.
In: 20. Jahrbuch Freie Akademie der Künste in Hamburg, S. 229-235

Ulrich Höhns: Der Hang zur Grossform. Anmerkungen zu Bernhard Hermkes.
In: Architektur in Hamburg Jahrbuch 1989, S. 94-101

Gert Kähler: Porträt Bernhard Hermkes.
In: Der Architekt Heft 7-8/1985, S. 335-339

Ledigenheim Adickesallee. Frankfurt 1927-30
. .Ledigenheim Adickesallee
. .Frankfurt 1927-30
Ledigenheim Platenstraße. Frankfurt 1930-31
. .Ledigenheim Platenstraße
. .Frankfurt 1930-31
MAN-Motorenwerk. Hamburg 1939-42
. .MAN-Motorenwerk
. .Hamburg 1939-42
Wohnhäuser Karl-Jacob-Straße. Hamburg 1950-51
. .Wohnhäuser Karl-Jacob-Straße
. .Hamburg 1950-51
Kennedy-Brücke. Hamburg 1952-53
. .Kennedy-Brücke
. .Hamburg 1952-53
Landesbank Schleswig-Holstein. Kiel 1953-54
. .Landesbank Schleswig-Holstein
. .Kiel 1953-54
Grindel-Hochhäuser. Hamburg 1946-56
. .Grindel-Hochhäuser
. .Hamburg 1946-56
Großmarkthalle. Hamburg 1958-62
. .Großmarkthalle
. .Hamburg 1958-62
Architektur-Fakultät. Berlin 1966-68
. .Architektur-Fakultät
. .Berlin 1966-68
Allianz-Verwaltung. Hamburg 1969-71
. .Allianz-Verwaltung
. .Hamburg 1969-71