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. . . Walter Henn 1912 - 2006. Walter Henn 1912 - 2006

Portrait Walter Henn

Geboren am 20.12.1912 in Reichenberg

1931 - 37 Studium an der TH und der Akademie der Künste Dresden
1939 - 45 Soldat im 2. Weltkrieg
1946 - 53
Professor für Baukonstruktion an der TH Dresden
1947 Gründung des eigenen Architekturbüros in Dresden
1953 - 80 Professor für Baukonstruktion an der TH Braunschweig
1979 - 89 Büropartnerschaft mit Gunter Henn

Gestorben am 13.8.2006 in Murnau

 

 


Walter Henn stammt aus Reichenberg in Sachsen, wo sein Vater als Elektroingenieur im Eisenbahnwesen tätig ist. Auf dem Bettina-Gymnasium im nahen Dresden weckt Henns Zeichenlehrer in ihm das Interesse für Darstellende Kunst. Daneben erlebt er als Statist an der Semper-Oper das reichhaltige Kulturleben der Stadt hautnah mit. Nach dem Abitur studiert er an der Dresdner Technischen Hochschule Bauingenieurwesen, das er bereits nach sieben Semestern abschließt und unmittelbar anschließend ein Architekturstudium an der Akademie der Künste aufnimmt. Dort ist Wilhelm Kreis tätig, ein charismatischer Lehrer, der seinen Schülern in Vorlesungen und vor allem durch Exkursionen eine traditionalistisch verankerte, monumentalisierende Moderne vermittelt. Auch die Dresdner Bauten von Heinrich Tessenow prägen Henns Auffassung von Architektur. Nebenher arbeitet Henn im Privatatelier von Wilhelm Kreis, wo er als ausgebildeter Bauingenieur vor allem an der Ausführung von Industriebauten beteiligt ist. Seine zweigleisige Ausbildung setzt er zudem als Assistent am Lehrstuhl für Maschinenbau bei Prof. Kirschmer an der Technischen Hochschule fort, wo er 1937 im Bereich Wasserbau über Wassermeßmethoden in Turbinenwerken promoviert.

Nach Abschluß des Architekturstudiums und erfolgreicher Promotion arbeitet Henn als Bauingenieur für eine Gothaer Baufirma, wo er wertvolle Einblicke in die Praxis der Baukostenabrechnung gewinnt. Bei Ausbruch des 2. Weltkriegs wird er zur Wehrmacht eingezogen und ist fernab der großen Schlachtfelder als Offizier in Finnland stationiert. Nach einer Augenblutung erlebt Henn das Kriegsende in einem Schwarzwälder Lazarett, von wo aus er nach Dresden zurückkehrt. Bereits im Herbst 1945 nimmt die Technische Hochschule Kontakt zu Henn auf und überträgt ihm, der als politisch unbelastet gilt, den Lehrstuhl für Baukonstruktion. Mit der Wiedereröffnung der Hochschule zum Herbst 1946 als ordentlicher Professor berufen, ist er führend am Neuaufbau der dortigen Architekturlehre beteiligt. Gemeinsam mit Karl Wilhelm Ochs, Werner Cords oder Richard Konwiarz etabliert Henn die TH Dresden als eine der führenden deutschen Architekturschulen der frühen Nachkriegszeit. Im Auftrag der russischen Militäradministration entwirft er einen Bebauungsplan, der die Grundlage für den Ausbau der Hochschule schafft. Mit der Hochschule für Verkehrswesen und dem Willers-Bau realisiert Henn auch erste eigene Hochbauentwürfe.

Seit 1947 mit der Sicherung und dem Wiederaufbau historischer Bauwerke beschäftigt, beginnt Henn mit der Veröffentlichung seiner Erfahrungen in der westdeutschen Zeitschrift "Baumeister" 1948 eine umfangreiche Publikationstätigkeit. Als Vertreter der TH Dresden beteiligt er sich am DIN-Ausschuß in West-Berlin und verfaßt Artikel zum Stahlbetonbau, die auch auf spanisch und französisch erscheinen. Aufgrund seines Renommées wird er 1952 als Gastprofessor an die TH Braunschweig berufen und übernimmt ein Jahr später den Lehrstuhl für Baukonstruktion und Industriebau, woraufhin er nach West-Deutschland übersiedelt. In Braunschweig prägt Henn zusammen mit Friedrich Wilhelm Kraemer und Dieter Oesterlen eine an rationalen Kriterien und internationalen Vorbildern orientierte Architekturlehre, die als "Braunschweiger Schule" bekannt wird. Die "Braunschweiger Schule" vermittelt den Dreiklang von Funktion, Konstruktion und Form als eigenständigen Entwurfsparametern, wobei Henns Schwerpunkt auf der Konstruktionslehre liegt. An mehreren Braunschweiger Institutsbauten kann er seine gesamtheitliche Architekturauffassung praktisch demonstrieren.

Neben seiner Professur betreibt Walter Henn in Braunschweig ein eigenes Architekturbüro und ist vorwiegend, mit Aufträgen von Siemens & Halske oder den Münchener Friedrich Deckel-Werken, im Industriebau beschäftigt. Seine dortigen Erfahrungen veröffentlicht er in der Buchreihe "Bauten der Industrie", dessen erster Band 1955 im Münchener Callwey-Verlag erscheint. Damit sowie mit zahlreichen weiteren Buchpublikationen wie dem gemeinsam mit Franz Hart und Hansjürgen Sontag herausgegebenen "Stahlbauatlas" schafft Henn Standardwerke der modernen Konstruktionslehre. Er vertritt, abseits rein rationalistischer Entwurfsansätze, in seinen Schriften wie in seinen Bauten einen ganzheitlichen Ansatz, der das Bauen als bewußte Umweltgestaltung versteht. Seine Architektur zeichnet sich durch den Dualismus von Bau- und Ingenieurskunst aus, den er im Industriebau ebenso wie in anderen Bauaufgaben demonstriert. So entwirft Henn für den Bau der neuen Braunschweiger Mensa eine industriebaumäßige Konstruktion, die jedoch dem Ideal eines dienenden Funktionalismus untergeordnet ist. Mit seiner rationalen Struktur wird der Bau zum Vorbild zahlreicher Mensen. Für Henn entwickelt sich der Hochschulbau durch seine Braunschweiger Bauten zu einem Arbeitsschwerpunkt, in dem er bundesweit zahlreiche Folgebauten realisieren kann.

Während Walter Henn durch seine Lehr- und Publikationstätigkeit vor allem als Industriebauarchitekt bekannt ist, ist er auch vielfach abseits dieses Arbeitsfeldes tätig. Mit Verwaltungsbauten für den Bertelsmann-Verlag oder Osram ist er ab den frühen sechziger Jahren entscheidend an der Entwicklung des Großraumbüros beteiligt, für das er das Konzept einer frei gegliederten, unhierarchischen Arbeitslandschaft entwirft. Henns strenge, technisch präzise Architektur folgt dabei Vorbildern der internationalen Nachkriegsmoderne, die das westdeutsche Bauschaffen prägen. Insbesondere der Einfluß Mies van der Rohes spiegelt sich in Henns Architektur wider, in seiner Vorliebe für den Stahlbau ebenso wie in der klassizistischen Attitüde seiner Bauten. Mit dem Entwurf von Wasserkraftwerken für die Moselkanalisierung oder Hochregallagern schafft Henn immer wieder die Verbindung von Ingenieurswesen und Baukunst. Aus familiären Gründen verlegt Walter Henn in den siebziger Jahren den Hauptsitz seines Büros nach München und nimmt 1979 seinen Sohn Gunter als Partner auf. Seine Braunschweiger Bauten realisiert er in Projektpartnerschaft mit verschiedenen Architekten. Auch nach der Emeritierung bleibt Henn aktiv an der Entwurfsarbeit beteiligt und ist vorwiegend als gestalterischer Berater für Kraftwerksanlagen tätig. Nach seinem Ausscheiden aus dem Büro 1989 übersiedelt er nach Murnau am Staffelsee, wo er im Alter von 93 Jahren verstirbt.

Sowohl als Architekt als auch in seiner Rolle als Hochschullehrer und Teil der "Braunschweiger Schule" hat Walter Henn das deutsche Nachkriegsbauwesen mitgeprägt. Seine Architektur steht prototypisch für jene Synthese von Kultur und Technik, die er auch als Professor vertreten hat. Dabei gehört Henn neben Ernst Neufert, Kurt Ackermann oder Fritz Schupp zu den jenen Nachkriegsarchitekten, die Industriearchitektur als wichtigen Teil der Baukunst verstanden und gestaltet haben.


April 2007

Literatur:

Roland Böttcher, Kristiana Hartmann, Monika Lemke-Kokkelink:
Die Architekturlehrer der TU Braunschweig.
Braunschweig 1995

Susann Buttolo, Hans-Georg Lippert (Hrsg.):
Walter Henn - Die Ästhetik des Funktionalen.
Dresden 2012

Paulhans Peters: Walter Henn *1912
In: Baumeister 11/1994, S. 24-27

Klaus-Dieter Weiß: Architektenporträt Walter Henn
In: Der Architekt 12/1985, S. 525-529

Institut für Verkehrswesen. Dresden 1953-56
. .Institut für Verkehrswesen
. .Dresden 1953-56
Brunsviga-Werk. Braunschweig 1956-57
Foto: Heinrich Heidersberger
. .Brunsviga-Werk
. .Braunschweig 1956-57
Mensa. Braunschweig 1961-62
. .Mensa
. .Braunschweig 1961-62
Bertelsmann-Verlag. Rheda 1961-62
. .Bertelsmann-Verlag
. .Rheda 1961-62
Institut für Kolbenmaschinen. Braunschweig 1961-65
Foto: Heinrich Heidersberger
. .Institut für Kolbenmaschinen
. .Braunschweig 1961-65
Osram-Hauptverwaltung. München 1963-65
. .Osram-Hauptverwaltung
. .München 1963-65
Hoechst-Forschungszentrum. Frankfurt 1966-68
. .Hoechst-Forschungszentrum
. .Frankfurt 1966-68
Uni-Mehrzweckhochhaus. Bremen 1971-73
. .Uni-Mehrzweckhochhaus
. .Bremen 1971-73
VW-Forschungszentrum. Wolfsburg 1981-82
. .VW-Forschungszentrum
. .Wolfsburg 1981-82
Kraftwerk Reuter-West. West-Berlin 1983-87
. .Kraftwerk Reuter-West
. .West-Berlin 1983-87