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. . . Ulrich Müther . . 1934 - 2007

Portrait Ulrich Müther

Geboren am 21.7.1934 in Binz (Rügen)

1947 - 50 Zimmermanslehre
1951 - 53 Besuch der Ingenieurschule für Bauwesen in Neustrelitz
1954 - 58 Mitarbeiter im Entwurfsbüro für Industriebau in Ost-Berlin
1956 - 63 Fernstudium an der TH Dresden
1958 - 72 Leiter des Bauunternehmens Müther in Binz
1972 - 90 Direktor des VEB Spezialbetonbau Rügen in Binz

Gestorben am 21.8.2007 in Binz (Rügen)

 

 


Ulrich Müther wird als Sohn des Baumeisters Willy Müther auf der Insel Rügen geboren, wo sein Vater ein Baugeschäft führt. In der sowjetischen Besatzungszone wird ihm als Unternehmersohn kurz nach dem Zweiten Weltkrieg das Abitur und damit der Zugang zu einem Hochschulstudium verwehrt. Daraufhin nimmt Müther nach Abschluss der Volksschule eine Zimmermannslehre auf, an die er eine einjährige Gesellenzeit anschließt. Mit dem Besuch der Ingenieurschule für Bauwesen in Neustrelitz kann er sich zum Bauingenieur weiterbilden. Anschließend erhält Müther eine Anstellung im Entwurfsbüro für Industriebau in Ost-Berlin, das dem Ministerium für Aufbau der DDR untersteht. Dort ist er an der Projektierung von Kraftwerksbauten beteiligt und wird vor allem mit der Planung von Kühltürmen betraut. Darüber kommt er mit Reinhold Rabich an der TH Dresden in Kontakt, der sich mit Membrantheorien für einschalige hyperbolische Rotationsformen beschäftigt, die speziell bei Kühltürmen Anwendung finden. Parallel zu seiner Anstellung in Ost-Berlin nimmt Müther ein Fernstudium im Fachgebiet Bauingenieurwesen an der TH Dresden auf.

1958 kehrt er nach Rügen zurück und übernimmt die Leitung des elterlichen Betriebs. Dieser war zwar im Februar 1953 im Zuge der „Aktion Rose“ zunächst enteignet, aber infolge der politischen Unruhen vom 17.6. wieder zurückgegeben worden. 1960 erfolgt die Umwandlung in eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH), in der Müther den Vorsitz übernimmt. Sein Fernstudium schließt er mit einer von Rabich betreuten Diplomarbeit über hyperbolische Paraboloide ab. Müther entwickelt auf experimentellem und mathematischem Wege neue Berechnungsmethoden und realisiert seine Forschungsergebnisse 1964 als Dachtragwerk eines Mehrzwecksaals in seinem Heimatort Binz. Dabei knüpft er an Arbeiten von Franz Dischinger und Walter Bauersfeld aus der Weimarer Republik an und greift auf die Torkret-Bauweise zurück, eine ursprünglich als Reparaturmethode entwickelte Spritzbetontechnik. Aufwendige Schalungsarbeiten können so vermieden werden, da der Beton direkt auf die Bewehrung gespritzt wird. Müthers Flächentragwerke zeichnen sich durch hohe Steifigkeit bei geringem Materialaufwand aus und verleihen dem Betonschalenbau durch die Kombination neuartiger Berechnungsmethoden und der innovativen Bauweise wichtige Impulse.

Als erstes Großprojekt mit einer doppelt gekrümmten Hyparschale als Dachkonstruktion kann Müther 1966 den Bau der Rostocker Messehalle realisieren. Neben einer materialsparenden Ausführung zeichnet sich diese Konstruktion durch ihre expressive Raumform aus. In den frühen 1960er Jahren stehen derartige Betonschalentragwerke international hoch im Kurs und werden von Architekten wie Eero Saarinen, Pier Luigi Nervi oder Bernhard Hermkes für kühne Entwürfe verwendet. Müther wird in den Arbeitsausschuss Schalentragwerke der Kammer der Technik der DDR berufen und nimmt daraufhin an internationalen Kongressen der 1959 gegründeten „International Association for Shell and Spatial Structures“ (IASS) teil, auf denen er mit Pionieren des Betonschalenbaus wie Felix Candela und Heinz Isler in Kontakt kommt. Als gelernter Bauingenieur zeichnet Müther bei seinen Projekten gleichermaßen für die Entwurfskonzeption, Berechnung und Ausführung der Bauten verantwortlich, wodurch er seine Entwürfe beständig weiterentwickeln kann. Dabei kooperiert er auch mit Forschungsinstitutionen der DDR und lässt im Rostocker Institut für Schiffbau für seine Konstruktionen neuartige Computerberechnungen erstellen

Im Bauschaffen der DDR nimmt Müther mit seinen innovativen Bauprojekten eine Sonderstellung ein. Dadurch kann er die Eingliederung des Betriebs in ein Kombinat vermeiden. Im Zuge einer Verstaatlichung wird Müther 1972 als Direktor des in VEB Spezialbetonbau Rügen umbenannten Bauunternehmens eingesetzt. Die von ihm perfektionierte Bauart der Hyparschale kommt in zahlreichen Städten der DDR als Dachtragwerk für Gewerbe- und Ausstellungshallen zum Einsatz, was nicht nur an der materialsparenden Konstruktion liegt, sondern ebenso an ihrer prägnanten Formensprache. Während Müther bei den Rostocker Projekten mit Erich Kaufmann kooperiert, dem Hausarchitekten des örtlichen Wohnungsbaukombinats, übernehmen in anderen Städten lokale Architekten die entwurfliche Umsetzung. Formbestimmend sind jedoch stets die von Müther konzipierten Schalendächer. An prominenten Stellen in der DDR kann er mehrere Gaststättenbauten ausführen, deren skulpturale Formgebung baukünstlerische Kontrapunkte im Umfeld der benachbarten Plattenbausiedlungen setzt. Poetische Namen unterstreichen dabei deren identitätsstiftende Wirkung. Im Streben der DDR-Regierung nach nationaler Akzeptanz und internationaler Reputation trägt Müther mit seinen Bauten dazu bei, der DDR architektonisch zu baukultureller Geltung zu gelangen.

Mit dem Bau des Juri-Gagarin-Raumflugplanetariums in Cottbus beginnt 1974 eine langjährige Zusammenarbeit mit dem VEB Carl Zeiss Jena. Für zahlreiche Planetariumsbauten errichtet Müther Kuppelkonstruktionen in selbsttragender Betonschalenbauweise. Als die DDR-Regierung Planetarien gegen Devisen und Sachlieferungen in westeuropäische und arabische Länder verkauft, betreut Müther vor Ort die Ausführung der Bauvorhaben und entfaltet eine ausgedehnte Reisetätigkeit. Dabei bleibt er immer parteilos. Im sozialistischen Wirtschaftssystem der DDR agiert Müther quasi als freier Unternehmer, der Betrieb zählt zeitweise über 100 Angestellte. Infolge der Wiedervereinigung  wird das Unternehmen 1990 an ihn zurückübertragen, das er nun unter dem Namen Müther GmbH Spezialbetonbau betreibt. Da in der Nachwendezeit jedoch keine Nachfrage mehr nach weit spannenden Betonschalenkonstruktionen besteht, kann er keine selbst projektierten Bauten mehr realisieren. Im Umfeld der nach der Wende schwierigen wirtschaftlichen Lage in Ostdeutschland muss Müther 1999 Konkurs anmelden und sein Bauunternehmen aufgeben. Als Präsident des Bauindustrieverbandes von Mecklenburg-Vorpommern sowie als Referent bei Fachtagungen und Lehrveranstaltungen bleibt seine Expertise aber auch weiterhin gefragt.

Nach der Aufgabe seines Betriebs betreut Müther eine 1995 in Erinnerung an seinen verstorbenen Sohn gegründete Stiftung, mit der er Segeltörns für asthmakranke Kinder organisiert. Sein Planarchiv übergibt er 2006 der Hochschule Wismar. Nach längerer Krankheit verstirbt Ulrich Müther im Alter von 73 Jahren. Mit seinen innovativen Flächentragwerken, deren expressive Formenwelt den Gesetzmäßigkeiten der Mathematik und Geometrie entspringt, zählt er zu den Pionieren des Betonschalenbaus. Neben Hermann Henselmann, Richard Paulick oder Josef Kaiser ist er einer der wichtigsten Baumeister der DDR, der er mit seinen Vorzeigeprojekten architektonisches Renommee verleiht.


März 2015

Literatur:

Holger Barth, Thomas Topfstedt (Hrsg.): Vom Baukünstler zum Komplexprojektanten. Architekten in der DDR
Berlin, 2000

Susanne Burmester: Müther
Putbus, 2007

Wilfried Dechau: Kühne Solitäre. Ulrich Müther. Schalenbaumeister der DDR
München / Stuttgart, 2000

Rahel Lämmler, Michael Wagner: Ulrich Müther. Schalenbauten in Mecklenburg-Vorpommern
Sulgen / Zürich, 2008

Klaus Stiglat: Bauingenieure und ihr Werk
Berlin, 2004

Kerstin Weinstock: Ulrich Müther. Vom "Land-Baumeister" zum Schalenbauer
In: db Deutsche Bauzeitung 10/1999, S. 152-160

Messehalle. Rostock 1966
  Messehalle
  Rostock 1966
Gaststätte Teepott. Warnemünde 1968
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Stadthalle. Neubrandenburg 1968-69
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Christuskirche. Rostock 1970-71
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Gaststätte Ahornblatt. Ost-Berlin 1971-73
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Rettungsstation 1. Binz 1975
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Planetarium. Tripolis / LAR 1979-81
  Planetarium
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Planetarium. Wolfsburg 1981-83
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  Wolfsburg 1981-83
Gaststätte Seerose. Potsdam 1983
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König-Abdullah-Moschee. Amman / JOR 1982-89
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