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. . . Ernst Sagebiel. 1892 - 1970

Portrait Ernst Sagebiel

Geboren am 2.10.1892 in Braunschweig

1912 - 22 Studium an der TH Braunschweig
1924 - 28 Mitarbeiter bei Jacob Koerfer in Köln
1929 - 32
Mitarbeiter bei Erich Mendelsohn in Berlin
1933 - 45 Mitarbeiter der Bauabteilung im Reichsluftfahrtministerium
1937 Gründung des eigenen Architekturbüros in Berlin
1951 - 53 Mitarbeiter im Finanzbauamt München

Gestorben am 5.3.1970 in Starnberg

 

 


Ernst Emil Leopold Friedrich Sagebiel wird in Braunschweig geboren, wo sein Vater Wilhelm Sagebiel, ein vor allem für seine Holzschnitzarbeiten bekannter Bildhauer, tätig ist. Durch den künstlerischen Beruf des Vaters geprägt, nimmt Ernst Sagebiel nach dem Abitur und einem Praktikum in der Baufirma Karl Munte 1912 ein Architektur-Studium an der TH Braunschweig auf. Noch vor dem Vordiplom zieht er 1914 als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg und wird an der Westfront eingesetzt, wo er in französische Kriegsgefangenschaft gerät, aus der er erst 1920 freikommt. In Braunschweig wird der neu berufene Karl Mühlenpfordt sein Lehrer, der die Braunschweiger Architekturlehre an aktuellen Reformtendenzen ausrichtet und nachhaltig modernisiert. Ernst Sagebiel absolviert bei Mühlenpfordt 1922 sein Diplom und geht anschließend nach Köln, wo er im Architekturbüro von Julius Rolffs eine Anstellung findet. Von dort wechselt er ein Jahr später in das Preußische Neubauamt der Universität Bonn, wo jedoch ein projektierter Institutsneubau aufgrund eines in der Inflationszeit verhängten Baustops für staatliche Bauvorhaben nicht mehr ausgeführt werden kann.

Nach nur vier Monaten verläßt Sagebiel diese Anstellung wieder und geht nach Köln zu Jacob Koerfer, der zu jener Zeit mit dem Bau selbstprojektierter Geschäftshäuser Furore macht. Sagebiel wird die Büroleitung übertragen und ist in dieser Position verantwortlich für den Planungs- und Bauablauf des Hansa-Hochhauses in Köln. Nach dessen Fertigstellung promoviert er über die Entwicklung der Wohnverhältnisse der Stadt Köln und bearbeitet eigene Bauaufträge für Café- und Ladenumbauten. Durch seine Tätigkeit bei Koerfer im Umgang mit Großprojekten versiert, geht Ernst Sagebiel Anfang 1929 zu dem Berliner Architekten Erich Mendelsohn, wo er wiederum als Büroleiter fungiert und sich um die wirtschaftlichen und bautechnischen Angelegenheiten des Büros kümmert. Bei Mendelsohn, der in den zwanziger Jahren mit seinen dynamistischen Entwürfen zu den wichtigsten Protagonisten des Neuen Bauens gehört, ist Sagebiel am Bau des Columbus-Hauses oder des Hauses des Metallarbeiterverbandes beteiligt, ohne jedoch Einfluß auf die architektonische Gestaltung nehmen zu können. Aufgrund der Weltwirtschaftkrise wechselt Sagebiel Ende 1932 in die Bauabteilung der Schuhfirma Leiser, wo er Baumaßnahmen an den Verkaufsfilialen betreut.

Auf Anregung seines Bruders Georg, der als Architekt im neugeschaffenen Reichsluftfahrtministerium arbeitet, wechselt Ernst Sagebiel im Dezember 1933 in die dortige Bauabteilung. Zunächst mit der Bauleitung einer Fliegerschule in Celle betraut, steigt er als begabter Organisator großer Bauprojekte rasch in führende Positionen auf und übernimmt 1934 die Leitung des Referats für Sonderaufgaben. Dort betreut er die Neubauten mehrerer, von renommierten Architekten gestalteter Luftkriegsschulen und entwirft neben kleineren Bauaufgaben auch das neue Reichsluftfahrtministerium in Berlin, das zu einem der frühesten und markantesten Beispielen nationalsozialistischer Architektur wird. Mit der stark gegliederten Grundrißstruktur und moderner Stahlskelettbauweise steht das Gebäude in der Bautradition des Neuen Bauens, wogegen die Fassadengestaltung mit Repräsentationsmotiven überformt ist und sich somit deutlich vom architektonischen Prinzip der Moderne von der Einheit von Funktion, Konstruktion und Gestaltung abwendet. Von dieser ambivalenten Haltung ist auch der Flughafen Tempelhof gekennzeichnet, ein weiterer Großbau nach Sagebiels Entwurf, mit dem auf Initiative des Reichsluftfahrtministeriums die Neugestaltung Berlins begonnen wird.

Aufgrund seines mit diesen Bauten gewonnenen Renommées und der Protektion des Reichsluftfahrtministers Hermann Göring erhält Sagebiel weitere repräsentative Großaufträge und gründet neben seiner Beamtenanstellung 1937 ein privates Architekturbüro. So wird er gemeinsam mit Herbert Rimpl mit Planungsarbeiten für die Hermann Göring-Stahlwerke in Salzgitter betraut und übernimmt auf Vermittlung Görings den Bau der Flughafenneubauten in Stuttgart und München. Die Flughafenentwürfe zeichnen sich durch die Zusammenfassung der verschiedenen Bauteile in eine zusammenhängende Großform aus, ausgehend vom Berliner Flughafen Tempelhof, der von der Idee eines Luftstadions mit großer, kreissegmentförmiger Dachterrasse geprägt ist. Während auf der Flugfeldseite die Konstruktion der darunter befindlichen Hangaranlage offen präsentiert wird, sind die Schauseiten zur Stadt mit einer pathetisch wirkenden Fassadenverkleidung versehen, deren formale Schlichtheit im Vergleich mit anderen Bauten des Dritten Reichs jedoch unaufdringlich wirkt. Als wichtiger Repräsentant des nationalsozialistischen Bauschaffens wird Ernst Sagebiel von Albert Speer durch Wettbewerbe und Direktaufträge auch an den Planungsarbeiten für die Neugestaltung Berlins beteiligt. Durch seine Beschäftigung mit wichtigen Planungsaufgaben während des Zweiten Weltkriegs bleibt Sagebiel zudem vom Militärdienst verschont.

Bei Kriegsende siedelt Sagebiel nach München über, wo er Ende 1945 aufgrund seiner Involvierung in das nationalsozialistische Machtsystem von den Amerikanern vorübergehend arrestiert wird. Aus politischen Gründen aus dem Beamtenverhältnis entlassen, bezieht Sagebiel auch nach seiner 1948 gegen Zahlung einer Geldbuße erfolgten Entnazifizierung als "Mitläufer" eine Pension, die sein Auskommen in der Nachkriegszeit sichert. In der Hoffnung, für den Wiederaufbau des Münchener Flughafens hinzugezogen zu werden, eröffnet er wieder ein eigenes Architekturbüro und betreut gemeinsam mit Ludwig Lehn Baumaßnahmen für die Privatbank Merck Finck & Co. Daneben ist Sagebiel ab 1951 zwei Jahre lang als freier Architekt im Finanzbauamt München tätig, wo er mit der Instandsetzung ehemaliger Kasernen beschäftigt ist. Nach dem Tod von Ludwig Lehn kann Sagebiel am Maximiliansplatz in München mit dem Bankhaus Merck Finck & Co. seinen einzigen Neubau in der Nachkriegszeit errichten. Mit seiner konservativen Steinfassade steht dieser Bau in gestalterischer Kontinuität zu Sagebiels Bauten der dreißiger Jahre und bleibt von der sich auch in München mit Bauten von Sep Ruf, Franz Hart oder Hans Maurer durchsetzenden Nachkriegsmoderne weitgehend unbeeinflußt. Im Alter von 72 Jahren zieht Sagebiel nach Starnberg um, wo er 1970 an den Folgen eines Schlaganfalls verstirbt.

Als eigenständiger Architekt vor allem während des Dritten Reichs erfolgreich, hat Ernst Sagebiel das Erscheinungsbild der nationalsozialistischen Architektur neben Paul Ludwig Troost, Albert Speer oder Wilhelm Kreis wesentlich mitgeprägt. Diese exponierte Stellung verdankt er dabei weniger gestalterischer Qualifikation als vielmehr seinen organisatorischen Fähigkeiten im Umgang mit komplexen Bauvorhaben. Architektonisch zwischen konstruktiver Modernität und formaler Behäbigkeit schwankend, stehen Sagebiels Bauten gleichsam prototypisch für eine sinnentleerte Moderne unter nationalsozialistischen Vorzeichen.


Juli 2006

Literatur:

Elke Dittrich: Ernst Sagebiel. Leben und Werk 1892-1970
Berlin 2005

Uwe Kieling: Berlin. Bauten und Baumeister von der Gotik bis 1945
Berlin 2003

Fliegerschule Wietzenbruch. Celle 1933-34
. .Fliegerschule Wietzenbruch
. .Celle 1933-34
Fahrabteilung Elsgrund. Döberitz 1934-35
. .Fahrabteilung Elsgrund
. .Döberitz 1934-35
Haus Sagebiel. Berlin 1934-35
. .Haus Sagebiel
. .Berlin 1934-35
Sportflughafen-Clubhaus. Rangsdorf 1935-36
. .Sportflughafen-Clubhaus
. .Rangsdorf 1935-36
Luftkreiskommando. Kiel 1935-36
. .Luftkreiskommando
. .Kiel 1935-36
Reichsluftfahrtministerium. Berlin 1935-36
. .Reichsluftfahrtministerium
. .Berlin 1935-36
Flughafen Riem. München 1937-39
. .Flughafen Riem
. .München 1937-39
HGW-Hauptverwaltung. Salzgitter 1938-39
. .HGW-Hauptverwaltung
. .Salzgitter 1938-39
Flughafen Tempelhof. Berlin 1936-42
. .Flughafen Tempelhof
. .Berlin 1936-42
Bankhaus Merck Finck & Co. München 1957-58
. .Bankhaus Merck Finck & Co.
. .München 1957-58