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. . . Thilo Schoder. 1888 - 1979

Portrait Thilo Schoder

Geboren am 12.2.1888 in Weimar

1907 - 11 Studium an der Kunstgewerbeschule Weimar
1912 - 14 Mitarbeiter im Architekturbüro Henry van de Velde
1916 Künstlerischer Berater der Firma Golde in Gera

1919 Gründung des eigenen Architekturbüros in Gera
1932 Emigration nach Norwegen
1940 Internierung durch die Gestapo in Norwegen

Gestorben am 8.7.1979 in Kristiansand / NOR

 

 


Karl Wilhelm Thilo Schoder wird in Weimar geboren und wächst als jüngstes von fünf Kindern auf. Seine Schwester, die Opernsängerin Marie Gutheil-Schoder, nimmt mit ihrer Musikalität starken Einfluß auf seine Entwicklung und vermittelt ihn nach dem Abitur an den in Weimar tätigen belgischen Architekten Henry van de Velde, der ihn als Privatschüler aufnimmt. Ab 1907 studiert Schoder Innenarchitektur an der durch van de Velde geleiteten Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule in Weimar, der Vorgängerinstitution des Bauhauses. Nach seinem Diplom 1911 hospitiert er an der Baugewerkeschule bei Paul Klopfer und geht im Anschluß daran nach Wien, wo er von seiner dort lebenden Schwester aufgenommen wird. Er absolviert ein Volontariat als Zeichner bei Josef Hoffmann und arbeitet an der Modeabteilung der Wiener Werkstätten. Von kleineren privaten Aufträgen aus dem Freundeskreis der Schwester abgesehen, kann Schoder in Wien aber nicht Fuß fassen und kehrt 1912 nach Weimar zurück, um im Privatatelier seines Lehrers Henry van de Velde zu arbeiten. Nebenher führt er kleinere Privataufträge aus, darunter das Sommerhaus seiner Schwester. Mit Ausbruch des 1. Weltkriegs schließt van de Velde sein Büro und kehrt nach Belgien zurück, womit auch Schoders Tätigkeit für ihn endet.

Schoder intensiviert seine kunstgewerbliche Produktion von Korbmöbeln, Textilarbeiten oder Bucheinbänden und beteiligt sich ab 1915 an einem Berliner Batikatelier, das unter anderem als Stoffzulieferer der Lampenfabrik der Firma Golde in Gera fungiert. Ab 1916 wird Schoder für die Firma Golde als künstlerischer Beirat tätig und siedelt nach Gera über. Mit zahlreichen Entwürfen und dem Bau einer Autokarosseriefabrik realisiert Schoder die Verbindung von künstlerischer und industrieller Produktion, die durch den 1907 gegründeten Deutschen Werkbund als Ideal propagiert wird. Eine kurzfristige Unterbrechung erfährt diese Tätigkeit durch die Einberufung zum Kriegsdienst im September 1917, der bis Kriegsende andauert. Schoder kann sich in der industriell geprägten Stadt Gera etablieren und ist neben seinem Architekturbüro weiterhin in der Kunstgewerbeproduktion tätig, aus dem Anspruch heraus, den Bau als ein Gesamtkunstwerk zu gestalten. Daneben engagiert sich Schoder auch kulturpolitisch und ist Mitglied im Geraer Kunstverein, wodurch er Einfluß auf die Modernisierung der Geraer Lokalkultur nimmt.

Neben dem Bau von Einfamilienhäusern für Bauherren aus der bürgerlichen Mittelschicht Geras gewinnt ab Mitte der zwanziger Jahre zunehmend der Bau von Wohnsiedlungen an Bedeutung, woraufhin Schoder sich zunehmend auf die Architektur konzentriert und auf die Kunstgewerbeproduktion weitgehend verzichtet. Die Wohnsiedlung in Hermsdorf, Schoders erste Wohnsiedlung, erfährt überregionale Aufmerksamkeit und gilt als Musteranlage neuzeitlichen Kleinwohnungsbaus, woraus sich zahlreiche weitere Aufträge für Wohnsiedlungen in Ostthüringen ergeben. Schoder entwickelt sich zum bedeutendsten Architekten des Neuen Bauens in dieser Region, dessen Bauten trotz ihrer Bindung an funktionale Bedingungen große baukünstlerische und kompositorische Freiheiten aufweisen und über die reine Zweckform hinausreichen. Ornamentale Qualitäten erzielt Schoder dabei aus den Gebäudestrukturen und den Baustoffen, insbesondere dem Backstein, dessen Materialeigenschaften auch von anderen Architekten des Neuen Bauens wie Martin Elsaesser, Karl Schneider oder Alfred Fischer geschätzt und bewußt verwendet werden.

Von der Weltwirtschaftskrise ist Schoder in seinem regional wie sozial begrenzten Arbeitsgebiet in Thüringen stark betroffen, neue Aufträge bleiben am Anfang der dreißiger Jahre für ihn aus. Eine Bewerbung um den Direktorenposten der Hochschule für Handwerk und Baukunst in Weimar in der Nachfolge von Otto Bartning bleibt aufgrund der nationalsozialistischen Regierungsbeteiligung in Thüringen ab 1930 erfolglos, stattdessen wird Paul Schultze-Naumburg berufen. Im März 1932 gibt Schoder sein Büro wegen Auftragsmangels auf und emigriert am Ende des Jahres nach Norwegen, dem Heimatland seiner zweiten Ehefrau Bergljot Schoder. Zunächst schreibt er Artikel und hält Vorträge, etwa über den norwegischen Maler Edvard Munch. Die Arbeitserlaubnis als Architekt in Norwegen, die es Schoder ermöglicht, ein Architekturbüro in Kristiansand zu eröffnen, wird ihm 1936 erteilt. Seine Hoffnung auf eine Rückkehr nach Deutschland hat sich angesichts der politischen Verhältnisse zerschlagen, so daß er 1938 die norwegische Staatsbürgerschaft annimmt.

In seiner neuen Heimatstadt Kristiansand im norwegischen Sørlandet ist Schoder ab 1936 am Ausbau des neuen Wohngebiets "Hannevik Terrassen" beteiligt, für das er den Generalbebauungsplan erstellt sowie mehrere Wohnhäuser realisieren kann. Dabei bildet seine Architektur eine Synthese aus Tendenzen des modernen Internationalen Stils und tradierten norwegischen Bauweisen. Insbesondere die holzverschalten Fassaden stellen dabei eine Adaption regionaler Traditionen dar, ebenso die starke horizontale Betonung der Einfamilienhäuser durch Balkone und ausladende Dächer. Die Bemühungen, in der norwegischen Architektur Fuß zu fassen, werden durch die deutsche Okkupation Norwegens im 2. Weltkrieg unterbrochen, als Schoder 1940 aufgrund kritischer Äußerungen über die politischen Entwicklungen in Deutschland in der lokalen Presse durch die Gestapo arretiert wird. Nach der Entlassung wird er zu Planungsarbeiten für die deutsche Wehrmacht in Norwegen verpflichtet. In der Nachkriegszeit gelingt ihm die politische Rehabilitierung und die Aufnahme in die norwegische Architektenkammer. Mit zahlreichen Wohn- und Geschäftshäusern etabliert sich Schoder als ein führender Architekt in Südnorwegen und avanciert zu einem Protagonisten des Sørlandsmodernismus, indem er der modernen Architektur in dieser Region zum Durchbruch verhilft. Erst gegen Anfang der Sechziger Jahre zieht sich Schoder aus Altersgründen aus dem Berufsleben zurück, sein Sohn Bjørn führt das Architekturbüro weiter.

Im Alter von 91 Jahren stirbt Thilo Schoder in seinem norwegischen Exil, das ihm trotz einer nie ganz überwundenen Außenseiterposition zu einer neuen Heimat geworden ist. In seinen Bauten, mit denen er zur Verbreitung der Ideale moderner Architektur beigetragen hat, manifestiert sich Schoders Anspruch, Architektur als ein Gesamtkunstwerk zu gestalten und bei aller Rationalität eine eigenständige Ästhetik zu entwickeln. Trotz der lokal begrenzten Arbeitsgebiete in Deutschland wie in Norwegen besitzt seine Architektur daher eine überregionale Bedeutung.


Dezember 2002

Literatur:

Heinrich de Fries: Neue Werkkunst. Thilo Schoder Berlin 1929

Markus Jager: Thilo Schoder 1888 - 1979 In: Bauwelt Heft 38/1997, S. 2134-2135

Ulrike Lorenz: Neues Bauen in Thüringen: Thilo Schoder In: Der Architekt Heft 6/2000, S. 44-47

Ulrike Rüdiger: Thilo Schoder (1888 - 1979) In: Bauwelt Heft 10/1989, S. 377-378

Ulrike Rüdiger: Thilo Schoder. Architektur und Design 1888 - 1979 Jena 1997

Ulrike Rüdiger: Thilo Schoder. Leben und Werk in Deutschland Jena 1997

Haus Gutheil-Schoder. Masserberg 1911-13
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