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. . . Otto Bartning. 1883 - 1959

Portrait Otto Bartning

Geboren am 12.4.1883 in Karlsruhe

1902 - 07 Studium an der TH Berlin-Charlottenburg und TH Karlsruhe
1905 Gründung des eigenen Architekturbüros in Berlin
1926 - 30
Direktor der Bauhochschule Weimar
1941 - 48 Leiter der Heidelberger Bauhütte
1950 - 59 Präsident des Bundes Deutscher Architekten BDA
1950 - 59 Büropartnerschaft mit Otto Dörzbach

Gestorben am 20.2.1959 in Darmstadt

 

 


Otto Bartning wird in Karlsruhe als Sohn eines Kaufmanns geboren. Durch seine Mutter, die Tochter eines protestantischen Landesbischofs, kommt er frühzeitig mit theologischen Fragen in Kontakt, ebenso wird seine musische Begabung durch das Geigenspiel gefördert. Bartning nimmt an der TH Berlin-Charlottenburg ein Architekturstudium auf und wechselt nach einem Jahr an die TH Karlsruhe, bis er sein Studium 1904 für eine Weltreise unterbricht und eineinhalb Jahre lang Amerika, Ostasien und Indien bereist. Kurz nach seiner Rückkehr erhält er von einem befreundeten evangelischen Vikar den Auftrag zum Bau einer Kirche in der Steiermark und eröffnet daraufhin in Berlin ein Architekturbüro. Nebenher besucht er weiter Architekturvorlesungen, sein Studium beendet er 1907 jedoch ohne Abschluß . Neben Folgeaufträgen für weitere Dorfkirchen in Österreich, deren Architektur der Idee von einem Heim für die Gemeinde eine bauliche Form zu verleihen sucht, kann Bartning auch einige Wohnhäuser in Berlin realisieren, die mit ihrer schlichten, an englischen Vorbildern orientierten Gestaltung den aktuellen, von Hermann Muthesius oder Paul Schultze-Naumburg geprägten Reformtendenzen in der Landhausarchitektur folgen.

Während des Ersten Weltkriegs kann Bartning vermeiden, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden und ist stattdessen für den "Arbeitsnachweis für genesende Soldaten" tätig. Vom Einbruch der Baukonjunktur in den Kriegsjahren stark betroffen, kann er lediglich einige Umbaumaßnahmen und Grabmalentwürfe realisieren und beschäftigt sich vor allem mit architekturtheoretischen Fragen des Kirchenbaus. So publiziert Bartning 1919 das Buch "Vom neuen Kirchbau", in dem er einen spezifischen räumlichen Ausdruck der Religion anstrebt, den er im nicht realisierten Entwurf der "Sternkirche" exemplarisch umsetzt. Bartning gehört mit seinen expressionistischen Projekten der frühen Nachkriegsjahre in Deutschland zu jenen Architekten, die sich mit dynamischen Raumkreationen auf revolutionäre Weise von der überkommenen Architektur der Kaiserzeit distanzieren. So engagiert er sich bereits unmittelbar nach Kriegsende in Berlin gemeinsam mit Bruno Taut, Hans Scharoun oder Walter Gropius im "Arbeitsrat für Kunst", wo er neben programmatischen Forderungen nach einer neuen Architektur auch an der Formulierung von Grundsätzen einer reformierten Architekturausbildung beteiligt ist, die 1919 die Basis für die Gründung des Bauhauses bilden.

Ab Mitte der zwanziger Jahre ist Bartning maßgeblich am Durchbruch des Neuen Bauens und der Entwicklung einer eigenständigen kubischen Formensprache beteiligt. Neben Kirchen- und Krankenhausbauten stellt dabei der moderne Geschoßwohnungsbau einen Arbeitsschwerpunkt dar. So gehört er 1926 zu den Mitbegründern der Reichsforschungsgesellschaft für rationelle Baumethoden und ist in die Planung der Berliner Demonstrativwohnsiedlungen Siemensstadt und Haselhorst involviert. Intensiv beschäftigt ihn das Thema des Montagebaus, mit dem er im Wohnungs- wie im Sakralbau experimentiert. So verwendet Bartning in seinen Kirchenbauten der späten zwanziger Jahre offene Stahlskelettkonstruktionen und verleiht dem profanen Baumaterial durch die enge Verbindung mit einer modernen liturgischen Raumkonzeption eine metaphysische Sakralität. Mit der Entwicklung der Fächer- und der Zentralkirche als grundsätzlichen Bautypen kann er den protestantischen Kirchenbau entscheidend prägen und gehört neben Dominikus Böhm, Martin Weber oder Bensel & Kamps zu den wichtigsten Kirchenarchitekten in der Weimarer Republik.

1926 wird Otto Bartning in Weimar mit der Leitung der Staatlichen Bauhochschule betraut, der Nachfolgeinstitution des nach Dessau abgewanderten Bauhauses. Wie im Bauhaus, steht bei der Bauhochschule der Gedanke einer baubezogenen, produktiven Werkgemeinschaft im Zentrum des Lehrkonzepts, das die Studenten an der Planung konkreter, von Bartning und seinem Kollegen Ernst Neufert entworfener Bauten beteiligt. Bartning, der als Vertreter einer moderaten Moderne gilt, vermeidet die polarisierende Radikalität des Bauhauses, ohne jedoch dessen experimentierfreudige Innovationskraft zu erreichen. Dennoch wird auch die Bauhochschule nur vier Jahre nach Eröffnung von der nationalsozialistischen Landesregierung Thüringens aus politischen Gründen geschlossen. Nach der reichsweiten Machtergreifung der Nazis kann Bartning als Repräsentant des Bauschaffens der Weimarer Republik nur noch wenige prominente Projekte realisieren, gleichwohl er keine berufsrechtlichen Repressalien erleidet. Vor allem mit Kirchbauaufträgen versehen, findet er im Dritten Reich sein Auskommen abseits des öffentlichen Baugeschehens und realisiert deutschland- wie europaweit zahlreiche evangelische Kirchen. Während des 2. Weltkriegs übernimmt er die Leitung der Bauhütte für die Heiliggeist- und die Peterskirche in Heidelberg und verlegt 1943 seinen Bürositz aus dem bombardierten Berlin nach Neckarsteinach.

Bereits kurz nach Kriegsende arbeitet Bartning für die evangelische Kirche an einem Notkirchenprogramm, mit dem deutschlandweit bis 1951 insgesamt 48 provisorische Kirchenbauten errichtet werden. Basierend auf seinen Erfahrungen im Montagebau entwirft er ein System vorgefertigter Holzbinder, die zu einem Kirchenschiff zusammengesetzt und mit Trümmersteinen ausgefacht werden. Unter Einbeziehung kriegszerstörter Kirchen schafft Bartning kostengünstige Behelfsbauten, die ihre besondere räumliche Intensität durch die Verbindung der einfachen Bauweise mit der regional erhaltenen Bausubstanz gewinnen. Seit 1951 in Darmstadt ansässig, entwickelt er mit seinem neuen Partner Otto Dörzbach daraus weitere Serienbauten für Gemeindezentren und Diasporakapellen. Neben seiner Architektentätigkeit übernimmt Bartning leitende Positionen in wiedergegründeten Institutionen wie dem Deutschen Werkbund und dem Bund Deutscher Architekten. Durch sein Mitwirken in der Kommission für den Wiederaufbau Helgolands, als Jurymitglied zahlreicher Wettbewerbe oder als Leiter des Planungsausschusses für die Berliner Interbau 1957 nimmt er maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der westdeutschen Nachkriegsarchitektur. Vor allem die Rückbesinnung auf Ideale und Tendenzen der Moderne der Weimarer Republik wird nachhaltig von Bartning als einem authentischen und integeren Vertreter dieser Epoche bestimmt.

Als Doyen der deutschen Nachkriegsarchitektur, der neben Ernst May, Wilhelm Riphahn oder Johannes Göderitz die Kontinuität des Neuen Bauens verkörpert, stirbt Otto Bartning im Alter von 75 Jahren. Insbesondere als Impulsgeber für den evangelischen Kirchenbau von Bedeutung, zeichnet sich seine Architektur durch die untrennbare Verbindung von inhaltlicher Programmatik und gestalterischem Modernisierungsanspruch aus. Damit spiegelt sein epochenübergreifendes Werk den Facettenreichtum der modernen Architektur wider.


Novermber 2006

Literatur:

Jürgen Bredow, Helmut Lerch: Materialien zum Werk des Architekten Otto Bartning
Darmstadt 1983

Der Architekt Heft 4/1958

Hans Mayer: Der Baumeister Otto Bartning und die Wiederentdeckung des Raumes
Heidelberg 1951

Dörte Nicolaisen: Das andere Bauhaus. Otto Bartning und die Staatliche Bauhochschule Weimar
Berlin 1996

Friedenskirche. Peggau / A 1905-06
. .Friedenskirche
. .Peggau / A 1905-06
Haus Friedländer. Berlin 1913
. .Haus Friedländer
. .Berlin 1913
Haus Schuster. Wylerberg 1923-24
. .Haus Schuster
. .Wylerberg 1923-24
Kinderheim. Ruppin 1925-26
. .Kinderheim
. .Ruppin 1925-26
Pressa-Kirche. Köln 1928
. .Pressa-Kirche
. .Köln 1928
Wohnblock Siemensstadt. Berlin 1929-30
. .Wohnblock Siemensstadt
. .Berlin 1929-30
Gustav-Adolf-Kirche. Berlin 1933-34
. .Gustav-Adolf-Kirche
. .Berlin 1933-34
Markuskirche. Karlsruhe 1934-35
. .Markuskirche
. .Karlsruhe 1934-35
Notkirche St. Markus. Hamburg 1948-49
. .Notkirche St. Markus
. .Hamburg 1948-49
Frauenklinik. Darmstadt 1952-54
. .Frauenklinik
. .Darmstadt 1952-54