Geboren am 3.2.1905 in Roßla am Harz 1923
- 26 Studium
an der Kunstgewerbeschule Berlin Gestorben am 19.1.1995 in Berlin
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Über den befreundeten ungarischen Filmarchitekten Alexander Ferenczy erhält Henselmann 1930 den Auftrag für die Villa Ken-Win im schweizerischen Montreux und eröffnet ein eigenes Architekturbüro. Für ein wohlhabendes englisches Ehepaar, das seine Sympathien für eine moderne Architektur und neue gesellschaftspolitische Ideale teilt, errichtet er einen radikal modernen, gestalterisch an sein Vorbild Le Corbusier angelehnten Bau. In der Folgezeit erhält er weitere Aufträge für Einfamilienhäuser in Berlin und Umgebung. Über das Haus vom Hoff, das 1934 aufgrund "kulturbolschewistischer Haltung" wieder abgerissen werden sollte, gerät Henselmann in Konflikt mit dem nationalsozialistischen Regime und tritt deswegen nicht der Reichskulturkammer bei, wodurch er seine eigenständige Tätigkeit aufgibt und als angestellter Architekt in den auf den Industriebau spezialisierten Büros von Carl Brodführer und Werner Issel arbeitet. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs findet Henselmann eine Anstellung beim Wiederaufbau kriegszerstörter Bauerngehöfte im Wartheland, im Auftrag des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Durch eine Denunziation muß er diese Tätigkeit aufgeben, und um dem Kriegsdienst zu entgehen, wird er Büroleiter bei Godber Nissen und leitet den Bau der Avia-Flugzeugmotorenwerke in der Nähe von Prag. Kurz vor Kriegsende flüchtet Henselmann mit seiner Familie nach Gotha, wo er nach der Besetzung durch amerikanische Truppen durch Hugo Meister in Kontakt mit kommunistischen Widerstandskämpfern kommt. Er beteiligt sich an der Gründung eines antifaschistischen Komitees und wird Kreisbaurat von Gotha. Bereits im Juli 1945 wird er aufgrund seiner Kontakte mit den Kommunisten im unter sowjetischer Besatzung stehenden Thüringen als Direktor der Hochschule für Baukunst und bildende Künste in Weimar berufen, dem Gründungsort des Bauhauses von 1919. Das von Henselmann erarbeitete Lehrkonzept mit je vier Lehr- und Produktionssemestern, das in der Tradition des Bauhauses steht, wird nach heftiger Debatte, unter anderem um die Entlassung aller Lehrkräfte des "Dritten Reichs", genehmigt und die Hochschule im August 1946 offiziell eröffnet. Unter der Leitung Henselmanns stehen die neuen gesellschaftlichen Aufgaben der Architektur aus sozialistischem Blickwinkel im Vordergrund, was sich in Aufgabenstellungen für Typen-Entwürfe äußert. Nach nur vier Jahren verläßt Henselmann im Sommer 1949 die Hochschule aber wieder und geht an das Institut für Bauwesen der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin, als Leiter der Abteilung Nr. 3 "Arbeitsstätten". An der Akademie der Wissenschaften übernimmt Henselmann 1951 die Leitung der Meisterwerkstatt I und wird, zusammen mit den Meisterwerkstätten II und III, geleitet von Hanns Hopp und Richard Paulick, zu Entwürfen für die Bebauung der Stalinallee aufgefordert. Sein zunächst in der Architektursprache der internationalen Moderne gehaltener Entwurf für das Hochhaus an der Weberwiese erregt eine große Kontroverse in den politischen Instanzen, sodaß Henselmann, aus der Einsicht, als Künstler keine elitäre Stellung gegenüber der Gesellschaft einzunehmen, den Entwurf nach traditionellen, am Klassizismus Karl Friedrich Schinkels orientierten Motiven überarbeitet und damit den "sozialistischen Realismus" als offiziell geförderten Architekturstil prägt. Neben dem Hochhaus an der Weberwiese plant Henselmann an der Stalinallee die Bebauung am Strausberger Platz und am Frankfurter Tor, an denen zugleich mit der erstmaligen Verwendung von Betonfertigteilen die politisch gewünschte Industrialisierung des Bauwesens erprobt wird. Aufgrund seines gewonnenen Renommees wird Henselmann 1953 als "Chefarchitekt von Groß-Berlin" ernannt. Auf Basis seines 1958 erstellten Raumordnungsplans für Berlin findet 1959 der Wettbewerb zur "sozialistischen Umgestaltung des Zentrums der Hauptstadt der DDR" statt, bei dem er überraschend einen Entwurf für einen 300 Meter hohen "Turm der Signale" präsentiert, der zehn Jahre später in abgewandelter Form als Funkturm am Alexanderplatz realisiert wird. Auf eigenen Wunsch übernimmt er 1959 die Leitung des Instituts für Sonderbauten. Mit dem "Haus des Lehrers" leitet Henselmann einen erneuten Paradigmenwechsel der Architektur in der DDR ein, fort vom stalinistischen Neoklassizismus hin zu einer durch industrielle Bauweisen geprägten international orientierten Moderne. Eine verstärkte Auseinandersetzung mit Bedingung der Prefabrikation führt Henselmann als Chefarchitekt des Instituts für Typenprojektierung von 1964-67, speziell im Hinblick auf die architektonische Gestaltung des normierten Massenwohnungsbaus, deren mögliche Qualitäten er in der Wohnbebauung am Leninplatz demonstriert. Die Bauten, die Henselmann in den Sechziger Jahren entwirft, zeigen in besonderem Maße einen Bildzeichencharakter, der den Bewohnern eine Identifikation mit dem Ort ermöglichen soll. In der Position als Chefarchitekt des Instituts für Städtebau und Architektur und Leiter der Experimentalwerkstatt, die er bis zu seiner Emeritierung 1972 innehat, entwirft er markante Hochhaus-Dominanten für mehrere Städte, von denen die Universitäts-Hochhäuser in Leipzig und Jena realisiert werden. Neben seiner Bautätigkeit äußert sich Henselmann seit Gründung der DDR in zahlreichen Schriften und Stellungnahmen bis ins hohe Alter hinein über architektonische wie politische Themen. Mit seiner Fähigkeit, stets neue Ansätze zu entwickeln, hat er dem Sozialismus in der DDR, dem er sich verpflichtet fühlte, bauliches Profil verliehen. Hermann Henselmann, der zugleich bedeutendste als auch umstrittenste Architekt der DDR, stirbt kurz vor seinem 90. Geburtstag im wiedervereinigten Berlin.
Literatur: Christian Borngräber: Hermann Henselmann. In: Wolfgang Ribbe / Wolfgang Schäche: Baumeister, Architekten, Stadtplaner. Biographien zur baulichen Entwicklung Berlins. Berlin, 1987 Jörn Düwel: Hermann Henselmann - Ein Baumeister des Sozialismus? In: Deutsches Architekten-Blatt Heft 11/1996, S. 1840-1841, Heft 12/1996, S. 2028-2029 Bruno Flierl: Gebaute DDR. Über Stadtplaner, Architekten und die Macht. Berlin, 1998 Bruno Flierl, Wolfgang Heise: Hermann Henselmann. Gedanken, Ideen, Bauten, Projekte. Berlin, 1978 Hermann Henselmann: Drei Reisen nach Berlin. Berlin, 1981 Gert Kähler: Architektenporträt Hermann Henselmann. In: Der Architekt Heft 4/1987. S. 209-213 Wolfgang Schäche: Hermann Henselmann. "Ich habe Vorschläge gemacht". Berlin, 1995 |
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.Villa Ken-Win
. .La Tour-de-Peilz / CH 1930-31 |
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.Haus Heinecke
. .Kleinmachnow 1931-32 |
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.Haus vom Hoff
. .Kleinmachnow 1934 |
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.100-Morgen-Hof
. .Balzweiler 1941-42 |
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.Wohnhaus Weberwiese
. .Berlin 1951-52 |
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.Wohnbebauung
Strausberger Platz
. .Berlin 1952-54 |
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.Wohnbebauung
Frankfurter Tor
. .Berlin 1954-56 |
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.Haus des Lehrers
. .Berlin 1961-64 |
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.Wohnbebauung
Leninplatz
. .Berlin 1967-70 |
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.Universitäts-Hochhaus
. .Leipzig 1968-73 |
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