architekten-portrait. Zur Startseite

 

. . . Ernst May. 1886 - 1970

Portrait Ernst May

Geboren am 27.7.1886 in Frankfurt

1907 - 13 Studium in London, an der TH Darmstadt und TH München
1919 - 25 Technischer Leiter der Schlesischen Landgesellschaft
1925 - 30
Stadtbaurat in Frankfurt am Main
1930 - 33 Stadtplaner in der UdSSR
1934 - 53 Farmer und Architekt in Kenia
1954 - 56 Leiter der Planungsabteilung der Neuen Heimat in Hamburg

Gestorben am 11.9.1970 in Hamburg

 

 


Ernst May wird in Frankfurt geboren und bereits früh durch seinen Vater, einem Lederfabrikanten, in seinem Interesse an der Kunst gefördert. Auf dessen Anraten beginnt May ein Architekturstudium am University College in London, bevor er im gleichen Jahr seinen Militärdienst in Darmstadt absolviert und das Studium dort fortsetzt. Stark beeindruckt wird er von den Bauten der Darmstädter Mathildenhöhe, die einen frühen Meilenstein auf der Suche nach einem neuen architektonischen Ausdruck am Anfang des 20. Jahrhunderts darstellen. Für ein Praktikum bei dem Architekten Sir Raymond Unwin geht er 1910 erneut nach London, wo er an der Planung der Gartenstadt Hampstead mitarbeitet, in der erstmals das Ideal einer Vorortsiedlung im Grünen aus dem Geist einer umfassenden Lebensreform realisiert wird. Darüber kommt May auch mit dem von Unwin vertretenen Konzept der Stadtgliederung mit Trabantensiedlungen in Kontakt und übersetzt Unwins Buch "Grundlagen des Städtebaus" ins Deutsche. In Deutschland zurück, schließt er sein Studium in München bei Theodor Fischer ab, der als Mitbegründer des Werkbundes die Überwindung des Historismus mit einleitet.

In Frankfurt gründet May 1913 ein eigenes Architekturbüro, die Einberufung als Soldat in den Ersten Weltkrieg verhindert aber eine erfolgreiche Etablierung. Nach Kriegsende wird er als technischer Leiter der Schlesischen Landgesellschaft in Breslau angestellt, wo er für den Aufbau und die Förderung bäuerlicher Siedlungen in Schlesien zuständig ist. Mays Siedlungsprojekte folgen mit der Gruppierung um einen gemeinschaftlichen Platz dem Leitbild der Angersiedlung, wodurch ein geschlossenes Ortsbild erzeugt wird. Um günstigen Wohnraum zu schaffen, beschäftigt er sich auch mit alternativen Bauweisen wie dem Lehmbau und Typisierungsmöglichkeiten. 1921 nimmt er am Wettbewerb für einen Generalbebauungsplan von Breslau teil, woraus drei Jahre später der Auftrag für einen regionalen Bebauungsplan des Landkreises Breslau resultiert, in dem er vorsieht, das bisherige radiale Stadtwachstum durch ein Konzept dezentraler Trabantensiedlungen zu ersetzen. Aufgrund dieses Planes wird May 1925 als Stadtbaurat und Leiter des Hochbau- und Siedlungsamtes nach Frankfurt berufen.

Zur Behebung der Wohnungsnot initiiert er ein städtisches Wohnungsbauprogramm, für das er einen Mitarbeiterstab progressiver Architekten wie Martin Elsaesser, Adolf Meyer oder Herbert Boehm beschäftigt. Unter Mays Leitung entstehen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus durch einen Grüngürtel vom Stadtkern getrennte Siedlungskomplexe an der Stadtperipherie. Durch funktionalistisch minimierte Wohnflächen wie der als "Frankfurter Küche" bekannt gewordenen Einbauküche oder einem rationalisierten Bauprozeß mit der Vorfertigung von Wandelementen gelingt es May, die Bau- und Mietkosten erheblich zu senken und gleichzeitig das Ideal "befreiten Wohnens" mit Freiraumbezug durch Dachterrassen oder der Zeilenbauweise umzusetzen. Mit einer explizit modernen Baugestaltung zählt May neben Bruno Taut, Walter Gropius oder Erich Mendelsohn zu den bedeutendsten Architekten des Neuen Bauens der Weimarer Republik und ist 1929 Gastgeber der 2. Tagung des Internationalen Kongresses moderner Architektur CIAM, für den er den Bericht "Die Wohnung für das Existenzminimum" verfaßt. Auch in der von May gegründeten Zeitschrift "Das Neue Frankfurt", deren Titel zum Synonym für die Modernisierungstendenzen der Stadt wird, vertritt er die Abkehr von überkommenen Wohn- und Gestaltvorstellungen.

Unter Mays Leitung entstehen rund 15 000 neue Wohnungen, bevor die Wohnungsbauprogramme durch die Weltwirtschaftskrise zum erliegen kommen. Auf Einladung der sowjetischen Regierung geht May daher Ende 1930 mitsamt einiger Mitarbeiter als Stadtplaner nach Rußland, um Generalbebauungspläne für neue Industriestädte in Sibirien zu erstellen. Basierend auf wissenschaftlichen Studien, legt die Planungsgruppe May den Bebauungsplänen für die neuen Städte Magnitogorsk, Leninsk oder Kusnezk die Gliederung in Quartiere, Funktionsentmischung und einen den Geländeverhältnissen angepaßten Zeilenbau zugrunde, Merkmale, die May auch in seinem Wettbewerbsentwurf für Groß-Moskau von 1932 vorsieht. Der Verzicht auf repräsentative städtebauliche Gesten und der Vorwurf fehlender sozialistischer Identität der Entwürfe führen zu politischen Diskrepanzen, so daß May nach Ablauf seines Arbeitsvertrages Ende 1933 Rußland verläßt. Wegen der politischen Lage in Deutschland emigriert er nach Afrika, wo er am Mount Meru in Kenia Land erwirbt und eine eigene Farm betreibt, auf der er Kaffee, Getreide und Pyrethrum anbaut. Nebenher ist er für sich und benachbarte Farmer als Architekt tätig, bis er 1937 die Farm wieder aufgibt, um in Nairobi ein Architekturbüro zu eröffnen, das er mit verschiedenen Partnern führt. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird Mays Tätigkeit aber durch britische Internierung unterbrochen.

Nach seiner Entlassung zwei Jahre später nimmt May eine Stelle als Konstrukteur bei einem Bauunternehmen an, kann sich aber bald auch wieder als Architekt und Stadtplaner etablieren. So wird May 1945 beauftragt, einen Generalbebauungsplan für Kampala in Uganda zu erstellen und erhält in Folge dessen auch dort mehrere Bauaufträge. Ende 1951 gründet er eine Büropartnerschaft mit zwei englischen Architekten, die großen Kriegszerstörungen in Deutschland wecken in ihm aber das Bestreben, in die Heimat zurückzukehren um sich planerisch am Wiederaufbau zu beteiligen. Auf Vermittlung seines früheren Mitarbeiters Werner Hebebrand übernimmt May daher 1954 die Leitung der Planungsabteilung des Wohnungsbaukonzern Neue Heimat in Hamburg. In dieser Funktion kann er Wohnsiedlungen als städtebaulich einheitliche Komplexe planen, die mit einer aufgelockerten, geschwungenen Bauweise sowie der Mischung verschiedener Wohnformen und mit Hochhäusern als baulichen Dominanten, in Abkehr vom starren Zeilenbauschema das Ideal der gegliederten Stadt realisieren. Nach Differenzen mit der Leitung der Neuen Heimat scheidet May Ende 1956 aus dem Konzern aus, dem er als Berater und freier Architekt aber weiter verbunden bleibt. In Hamburg, Bremen, Braunschweig oder Darmstadt entstehen nach seiner Planung in Kooperation mit örtlichen Architekten Wohnsiedlungen, die in Nachbarschaften gegliedert und um Grünflächen gruppiert sind. Trotz bereits hohen Alters wird May 1958 Planungsbeauftragter in Mainz und 1961 in Wiesbaden, für die er Generalbebauungspläne erstellt.

Auch als Wettbewerbspreisrichter und durch zahlreiche Artikel beeinflußt Ernst May den deutschen Nachkriegsstädtebau und zählt neben Johannes Göderitz oder Wilhelm Riphahn zu jenen Protagonisten des Neuen Bauens der Weimarer Republik, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg von prägender Wirkung sind. Für den modernen Städtebau besitzt May, neben Fritz Schumacher, herausragende Bedeutung, womit aber auch dessen Fehlentwicklungen wie eine ungenügende Raumbildung oder die monotone Fertigteilbauweise verbunden sind. Ernst May stibt im Alter von 84 Jahren in Hamburg.


April 2004

Literatur:

Bauwelt Heft 28/1986

Christian Borngräber: Die Mitarbeit antifaschistischer Architekten am sozialistischen Aufbau während der ersten beiden Fünfjahrespläne
In: Klaus Jarnatz, Simone Barck, Peter Dierzel: Exil in der UdSSR. Frankfurt 1979

Justus Buekschmitt: Ernst May. Bauten und Planungen
Stuttgart 1963

Eckhard Herrel: Ernst May. Architekt und Stadtplaner in Afrika 1934-1953
Tübingen / Berlin 2001

Eckhard Herrel, Claudia Quiring, Peter Cachola Schmal, Wolfgang Voigt (Hrsg.): Ernst May 1886-1970
München 2011

Rosemarie Höpfner, Volker Fischer: Ernst May und das Neue Frankfurt 1925-1930
Berlin 1986

Christoph Mohr, Michael Müller: Funktionalität und Moderne. Das Neue Frankfurt und seine Bauten 1925-1933
Frankfurt 1984

Wohnsiedlung. Haynau 1920-24
. .Wohnsiedlung
. .Haynau 1920-24
Haus May. Frankfurt 1925-26
. .Haus May
. .Frankfurt 1925-26
Wohnsiedlung Römerstadt. Frankfurt 1927-28
. .Wohnsiedlung Römerstadt
. .Frankfurt 1927-28
Friedrich-Ebert-Schule. Frankfurt 1928-30
. .Friedrich-Ebert-Schule
. .Frankfurt 1928-30
Wohnhaus. Magnitogorsk / UdSSR 1931-32
. .Wohnhaus
. .Magnitogorsk / UdSSR 1931-32
Kenwood-Haus. Nairobi / Kenia 1937-38
. .Kenwood-Haus
. .Nairobi / Kenia 1937-38
Wohnhäuser Delamare Flats. Nairobi / Kenia 1947-51
. .Wohnhäuser Delamare Flats
. .Nairobi / Kenia 1947-51
Hauptverwaltung Neue Heimat. Hamburg 1956-58
. .Hauptverwaltung Neue Heimat
. .Hamburg 1956-58
Wohnhochhäuser Neu-Altona. Hamburg 1959-60
. .Wohnhochhäuser Neu-Altona
. .Hamburg 1959-60
Wohnsiedlung Neue Vahr. Bremen 1957-61
. .Wohnsiedlung Neue Vahr
. .Bremen 1957-61